Was ist eigentlich Reformation?

Reformation – was ist das eigentlich? Der Begriff selbst führt ein wenig in die Irre. Denn Reformation, abgeleitet vom lateinischen reformatio, bedeutet wörtlich ‚Wiederherstellung‘. Zwar mögen die Reformatoren in der Auseinandersetzung mit den tiefgreifenden Veränderungen, die die mittelalterliche Kirche im Laufe der Zeit in christlicher Lehre und Auslegung erfahren hatte, den Wunsch und Anspruch gehabt haben, den ursprünglichen Zustand des Christentums ‚wiederherzustellen‘. Herausgekommen ist dabei allerdings etwas ganz Neues: Reformation (im lutherischen Sinne) kann man definieren als ein „vom Katholizismus in wesentlichen Punkten abweichendes christliches Bekenntnis, einen veränderten Gottesdienst (Deutsche Messe) sowie eine neue Kirchenorganisation“ (Werner Freitag).

2017 – „500 Jahre Reformation“

Das Jubiläum „500 Jahre Reformation“, das im Jahr 2017 deutschlandweit gefeiert wird, birgt Probleme. Denn zum einen hat die Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte herausgestellt, dass Reformation keinen singulären Zeitpunkt darstellt, an dem sie „eingeführt“ wurde, sondern immer ein Prozess ist. Ein Jubiläum bedarf aber eines exakten Datums, zumindest eines genauen Jahres. Einen solchen eindeutigen Zeitpunkt gibt es für den historischen Vorgang, den wir heute als „Reformation“ bezeichnen, nicht. Warum aber wurde gerade das Jahr 1517 zur Grundlage des Reformationsjubiläums ausgewählt?

Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, soll Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen, in denen er sich vor allem gegen die Lehre vom Fegefeuer und den Missbrauch des Ablasshandels aussprach, an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben. Luthers Thesen haben in der Folge eine Diskussion ausgelöst, die schließlich zur Reformation führte. Deshalb wird ihre Veröffentlichung als Auftakt zur Reformation betrachtet, deren religiöse, gesellschaftliche, politische und kulturelle Auswirkungen weltgeschichtliche Bedeutung erlangten. Die 500. Wiederkehr dieses besonderen Ereignisses wird bereits seit 2008 durch die sogenannte Luther-Dekade vorbereitet und mit zahlreichen Aktivitäten, Ausstellungen und Vorträgen begangen. Allerdings diskutiert die Reformationsforschung heute kontrovers, ob der Anschlag der Thesen Luthers an die Wittenberger Schlosskirchentür bzw. an noch weiteren Kirchentüren der Stadt wirklich stattgefunden hat und ob dieses Ereignis zu seiner Zeit wirklich eine derart große Bedeutung besaß, die ihm später zugeschrieben wurde. Denn zum Gründungsmythos der Reformation wurde der Thesenanschlag erst nach Luthers Tod 1546, vor allem aufgrund der Verbreitung durch Philipp Melanchthon (1497–1560). Luthers Thesenanschlag 1517 wurde also bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum Anfang der Reformation stilisiert und damit zur Grundlage von Reformationsjubiläen in evangelisch geprägten Landschaften. Hier zeigt sich ein Problem des Reformationsjubiläums 2017. Die Grundlage ist zum einen nicht sicher belegt und sie ist eine – wenn auch frühe – Auswahl, eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung aus einer Vielzahl von Ereignissen, die möglicherweise ebenso gut als Jubiläumsgrundlage geeignet gewesen wären, uns heute aber nicht mehr überliefert sind.

Ein Jubiläumsjahr für Westfalen?

In dem Anspruch des Jubiläumsjahres 2017, für ganz Deutschland gelten zu wollen, zeigt sich ein weiteres Problem. Von der Warte des Landeshistorikers aus gesehen, mag das Jahr 1517 als Auftakt zur Reformation zwar für Wittenberg und Umgebung Gültigkeit beanspruchen, aber nicht für alle deutschen Landschaften. Das zeigt besonders deutlich auch das Beispiel „Westfalen“. Hier findet der Historiker im Jahr 1517 noch eine relativ „heile katholische Welt“ (Werner Freitag) vor, denn reformatorische Einflüsse erreichten diese Region erst vereinzelt in den 1520er Jahren, verstärkt dann in den 30ern des 16. Jahrhunderts. Warum das so ist, darüber möchte dieses digitales Informationsportal reformation-in-westfalen Auskunft geben.